Klinger an Heinse.
Mainz, im Jänner 1778.
Lieber
Bruder ! Deine beyde Briefe
habe ich erhalten. Der
erste hat mir troz aller
Persifflage, die auf mein Haupt hineinwettert´
und blizte, unendliche
Freude gemacht, und doppelte Freude,
da sich
meine Brust mit neuer
Kraft stählte. - Trotz sey Deinem Humor
von
der Göttin Steifsinn und
Wahrheit gebothen ! Ich weiche keinen Schritt
und kann keinen Schritt
weichen, weil ich´s zu
tief überzeugt bin.
Soviel seh´ ich aber,
daß wir durch Briefe die
Sache nicht abthun.
Geduld also ! bis wir
uns zusammenfinden und das soll, wie
ich hoffe,
in Frankfurth geschehen,
wo wir die Messe sind. Hau´ also
in mich
hinein so viel Du willst,
und gieb meinem Selbst Seitenstiche wie Dir´s
beliebt. Ich werde Dir
meine Rache mit Feuer und Schrecken *)
in
Schoß gießen. Amen
!
Der
arme Wieland ! Da muß der Churfürst
von Bayern sterben
und seiner tour de vanite´
ein Todtengerippe in Weg stellen, daß
seine
ganze eitle Maschine erbebe
! Sein Unglück geht mir nah, denn
es ist
wirklich Unglück,
wenn man so viele Leerheit mitbringt
und nun mit
hungriger Nase und Ohren
herumschnüffelt und ein so garstiger
Zufall
einem in´s Rauchfaß
- ! Er ist hierdurch passirt
- aber Rosamun-
dens Schicksal muß
ihm zu sehr am Herzen gelegen
haben, seine
Einbildungskraft muß zu
hoch gespannt gewesen seyn, als daß
er sich
hätte erinnern sollen,
daß Leute in Mainz seyen ec.
Wohl bekomm´s
ihm ! Wie das nun
gehn wird, ob er warten wird,
bis Trauer und
Krieg wegen der Succession
und all´ die Balgereien vorbei sind,
weiß
man noch nicht. Ich glaub´
wohl er schlägt sich dort Hütten
auf, um
auf der Retour de
tristesse et des larmes nicht
ausgelacht zu werden
Großmann
le
Juif hat schon, wie
ich vernehme, Subscription auf
Bürgers Gedichte übernommen,
was ich aber anderwärts
kann, will
ich thun. Mich kannst
Du einstweilen auf Deine Liste zeichnen,
das
ist aber freylich nicht
viel.
Heute
werd´ ich zum erstenmal mit beflügelten
Füßen dem gewal-
tigen Rhein trozen. Es
ist ein großes Stück
hineingefrohren, sollte
des Herrn Willen seyn,
daß ich im gewaltigen Uebermaaß
der Freude
mein Grab fände,
so bitte den Gott der Flüsse,
daß er mich in den
Schooß einer Najade sinken
lasse. --
Hier ist
der Göttersohn, bitt´ Dich auch schön
um Rolands Spieß.
Grüße
und Küsse von mir. --
Von
Seiler und Donna herzige
Liebe an alle die Edlen und
Guten. --
Klinger.
____________
* ) Undeutlich geschrieben.
Quelle: Aus dem Gedenk - Buch
zur vierten Jubelfeier der Erfindung der
Buchdruckerkunst begangen zu Frankfurt am
Main am 24. ten und 25. ten
Junius 1840 - Eine Festgabe herausgegeben von
den Buchdruckern, Schrift-
giessern und Buchhändlern. -
Erinnerungsblätter aus dem geistigen Leben
der Vergangenheit (1756 - 1833).
- Aus der Sturm und Drangperiode.
- Briefwechsel zwischen Klinger und Heinse,
zunächst über das Schachspiel
Seite 105 - 106. |