Briefwechsel 

zwischen

Friedrich Maximilian Klinger und Wilhelm Heinse, 

zunächst über

d a s  S c h a c h s p i e l
Klinger  an  Heinse.



                                                    Mainz,  im  Jänner  1778.

      Lieber   Bruder !    Deine   beyde   Briefe   habe   ich   erhalten. Der
erste  hat  mir  troz  aller  Persifflage,   die  auf  mein  Haupt  hineinwettert´
und  blizte,   unendliche  Freude   gemacht,   und  doppelte  Freude,    da  sich 
meine  Brust  mit  neuer  Kraft  stählte. -  Trotz  sey  Deinem  Humor  von 
der  Göttin  Steifsinn  und  Wahrheit  gebothen !  Ich weiche  keinen  Schritt 
und  kann  keinen  Schritt  weichen,    weil   ich´s   zu   tief   überzeugt  bin. 
Soviel  seh´  ich  aber,   daß  wir  durch  Briefe   die   Sache  nicht  abthun. 
Geduld  also !  bis  wir  uns  zusammenfinden  und  das  soll,  wie  ich  hoffe, 
in  Frankfurth  geschehen,   wo  wir  die  Messe  sind.  Hau´  also  in  mich 
hinein  so  viel  Du  willst,  und gieb  meinem Selbst  Seitenstiche wie Dir´s 
beliebt.   Ich  werde  Dir  meine  Rache  mit  Feuer  und  Schrecken *)   in 
Schoß  gießen.   Amen !
       Der  arme  Wieland !  Da  muß  der  Churfürst  von  Bayern  sterben 
und  seiner  tour de vanite´  ein  Todtengerippe  in  Weg  stellen,  daß  seine 
ganze  eitle  Maschine  erbebe !  Sein  Unglück  geht  mir  nah,  denn  es  ist 
wirklich  Unglück,    wenn  man  so  viele  Leerheit  mitbringt  und  nun  mit 
hungriger  Nase  und  Ohren  herumschnüffelt  und  ein  so  garstiger  Zufall 
einem  in´s  Rauchfaß  -  !    Er  ist  hierdurch  passirt  -  aber  Rosamun- 
dens   Schicksal  muß   ihm  zu   sehr   am   Herzen  gelegen  haben,    seine 
Einbildungskraft  muß  zu  hoch  gespannt  gewesen  seyn,   als  daß  er  sich 
hätte  erinnern  sollen,   daß  Leute  in  Mainz  seyen  ec.   Wohl  bekomm´s
ihm !   Wie  das  nun  gehn  wird,   ob  er  warten  wird,   bis   Trauer  und 
Krieg  wegen  der  Succession  und  all´  die  Balgereien  vorbei  sind,   weiß 
man  noch  nicht.  Ich  glaub´  wohl  er  schlägt  sich  dort  Hütten  auf,  um 
auf  der  Retour  de  tristesse  et  des  larmes  nicht  ausgelacht  zu  werden
      Großmann le  Juif   hat  schon,   wie  ich  vernehme,   Subscription  auf 
Bürgers  Gedichte  übernommen,   was   ich   aber   anderwärts   kann,  will 
ich  thun.   Mich  kannst  Du  einstweilen  auf  Deine  Liste  zeichnen,   das 
ist  aber  freylich  nicht  viel.
       Heute  werd´  ich   zum  erstenmal mit  beflügelten  Füßen  dem  gewal- 
tigen  Rhein  trozen.   Es   ist   ein   großes   Stück  hineingefrohren,  sollte 
des  Herrn  Willen  seyn,  daß  ich  im  gewaltigen  Uebermaaß  der  Freude 
mein  Grab  fände,   so  bitte  den  Gott  der  Flüsse,   daß  er  mich  in  den 
Schooß  einer  Najade  sinken  lasse. --
      Hier ist  der  Göttersohn,  bitt´ Dich  auch  schön  um  Rolands  Spieß.
      Grüße  und  Küsse  von  mir. --
      Von   Seiler   und   Donna   herzige   Liebe   an  alle  die  Edlen  und 
Guten. --
                                                          Klinger.
____________ 

     * ) Undeutlich  geschrieben.
 

Quelle:  Aus dem Gedenk - Buch  zur vierten Jubelfeier der Erfindung der 
Buchdruckerkunst begangen zu  Frankfurt am Main am 24. ten und 25. ten
Junius 1840 - Eine Festgabe herausgegeben von den Buchdruckern, Schrift-
giessern und Buchhändlern.   - Erinnerungsblätter aus dem geistigen Leben
der Vergangenheit  (1756 - 1833).      - Aus der Sturm und Drangperiode.
- Briefwechsel zwischen Klinger und Heinse,  zunächst über das Schachspiel
Seite  105 - 106.


 


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