Mainz, im Dezember 1777.
Lieber Bruder Rost,
längst hätte ich Dir geschrieben, wenn mich
der Teufel nicht immer am Schopf hätte
und mich zusammmenreiten
wollte - bis man ihn dann unter
sich bringt auf eine Zeit lang, da
hört verdammtes Ringen und Kämpfen
dazu. Heute bin ich einmal
heitern Sinnes . . . . . . kann Dir
am Ende aber doch weiter nichts
sagen, als daß ich Dich
lieb habe, mit all´ den edlen und braven
Seelen dort. Das sag´ ihnen,
lieber Bruder ; und sag´ ihnen, wie
mannichfaltiger Trost mir dies sey,
nächst dem Gedanken, daß sie
meiner mit Theilnehmung gedächten.
Zeither hab´
ich meine Verstands -Kräften in etwas mit dem edlen
Schachspiel geübt und bin honneur
a´ l´espirit ziemlich
weit avancirt.
Die beste Mlle. Falmer * )
hat mir ein Gleiches von Dir erzählt, wie
aber Dein Muth dabei gesunken wäre,
nebst Deinen Worten, die Dir
ziemlich ähnlich sahen. Ich sag´ Dir
nun, daß die Helden Griechenlands
sich auch mit diesen königlichen Spiel
belustigen, wie Vater Homer in
der Odyssee und sagt. Ich denk das
soll tiefer Sporn in die Seiten
Deines Herzens seyn. - Komm´
her und laß uns Lanzen brechen.
Seiler und Donna erinnern Dich an Dein Versprechen,
uns in Mainz
zu besuchen, und ich rufe Dir zu: Komm !
Schaff´
mir doch Lenzen´s Brief an den besten
Fritz. Erinnere
ihn, daß er ihn mir versprochen
hat. Versichere ihn, daß ich keinen
Gebrauch davon machen werde, der Lenzen
schaden könne - ich meine,
man kann sich auf mein Wort verlassen.
Seiler und
Donna grüßen und küssen Fritz,
Georg, den Herrn
Grafen und Dich, und grüßen die
Frau Kammerräthin, Mlles. Schwe-
stern und erinnern sie des Löwen**
), der immer gegen sich wüthet und
sonst niemand schadet, noch schaden möchte.
Schreib´
gleich und schick´ den Brief und komm !
Klinger.
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*) Dlle. Fahlmer wird von
Göthe in dessen Leben als eine Dame von großer
Zartheit des Gemüths und ungemeiner Bildung
des Geistes gerühmt, die zur
Vermittlung eines freundschaftlichen Verhältnisses
zwischen ihm und den
Brüdern Jacobi vorzüglich beigetragen
habe. (S. Werke Bd. 26, 14. Buch.)
**) So wurde Klinger in jenem
Kreise genannt.
Quelle: Aus dem Gedenk - Buch
zur vierten Jubelfeier der Erfindung der
Buchdruckerkunst begangen zu Frankfurt am
Main am 24. ten und 25. ten
Junius 1840 - Eine Festgabe herausgegeben von
den Buchdruckern, Schrift-
giessern und Buchhändlern. -
Erinnerungsblätter aus dem geistigen Leben
der Vergangenheit (1756 - 1833).
- Aus der Sturm und Drangperiode.
- Briefwechsel zwischen Klinger und Heinse,
zunächst über das Schachspiel
Seite 96 - 97. |