An Herrn
Sekretär Schmidt.
Halberstadt, im März 1774
Hier übersende ich Ihnen, mein
lieber Mädchenschmidt,
Ihre Bücher; und bitte Sie, mir die
Geschichte der Kunst
und Ueber die Allegorie von Winkelmann
zu übersenden;
ich packe jetzt die Bücher zusammen,
die ich aus Vater
Gleims Bibliothek habe, um sie
heute oder Morgen früh
hintragen zu lassen und diese 2 fehlen noch
in dem Ver-
zeichnisse, das ich davon gemacht habe.
Ferner könnten
Sie mir eine große Gefälligkeit er-
zeigen, wenn Sie Massow´s Savary bey Hrn.
Bodenstein
hohlen ließen; ich bin mit dem
Manne gar nicht bekannt;
wenn Ihre Hebe aber keine Zeit
hat, so will ich dann
meine, cui est
dens ater, et rugis vetus
frontem
senectus exarat Hiatque turpis
inter aridas nates
podex, velut crudae bovis -- hinsenden.
Nachmittags um
3 Uhr möcht´ ich gern meine Auf-
wartung bey Ihnen machen,
und Sie befragen, wo der
Coffer zu haben sey; denn ich muß morgen
einen kaufen, um
einpacken zu können.
Es klingen mir nichts
als Todten- und Sterbelieder in
den Ohren, wenn ich daran denke,
und dieß ist jetzt mein
immerwährender Gedanke, daß ich
binnen 6 Tagen Halber-
stadt schon aus den Augen verlohren habe,
und ohne Hoff-
nung seyn werde, meinen Schmidt und Gleim
und oscula,
quae Venus Quinta parte sui nectaris
imbuit wieder
zu finden.
Felices
ter et amplius
Quos irrupta tenet copula
i.e. Meister Schmidt und seine Mädchen.
Beklagen Sie
bisweilen
Ihren
armen Rost.
Bemerkung: Der Brief Heinse´s
Nr.1 (hier oben dieser)
ohne Ort und Datum ist in Halberstadt, zweite
Hälfte des
März 1774 geschrieben.
Quelle: Aus dem Buch - Das Goethe´sche
Zeitalter der
deutschen Dichtung, von Eduard
Grisebach. Mit
ungedruckten Briefen Wilhelm Heinse´s
und Clemens
Brentano´s. Verlag Wilhelm Engelmann (Leipzig
1891)
S. 163-164 |